Samstag, 17. April 2010

Abschied von Indien (neu!!!!)
















Der goldene Tempel in Amritsar (2.Teil)


Unterwegs haben wir viele Tempel, Forts und Sehenswürdigkeiten gesehen und uns mit vielen Religionen beschäftigt.


Dabei hat uns die Religion der Sikhs besonders gefallen. Der Sikhismus wurde vor etwa 500 Jahren gegründet als Alternative zum Kastenwesen der Hindus und dem frauenfeindlichen Islam. Regional haben sich die meisten Sikhs im Punjab im Nordwesten Indiens angesiedelt, zwischen dem viel später islamischen Pakistan und den meisten Hindus im restlichen Indien. Ihr Heiligstes ist der goldene Tempel in Amritsar, also direkt an der indisch–pakistanischen Grenze.


Die Sikhs haben offiziell kein Kastensystem, weshalb viele Unberührbare der Hindus die Religion wechseln. Sikhs schneiden sich sämtliche Körperhaare nicht. Als Erkennungsmerkmal tragen die Männer einen Turban und haben meist einen langen Bart. Die Jungs erkennt man an den „Schlumpfmützen“, unter der Beule verbirgt sich der Zopf.


Bereits bei der Ankunft in Indien haben wir die Farbenvielfalt und die Offenheit im goldenen Tempel bewundert. Zwischenzeitlich wissen wir, dass dies wahrscheinlich die einzige Sehenswürdigkeit Indiens ist, für die man keinen Eintritt bezahlen muss.


Mehr noch, Pilger - egal welcher Religion - können hier umsonst schlafen und essen. Finanziert wird dies alles über Spenden und die ehrenamtliche Mitarbeit unzähliger Gläubiger.


Diesmal wollen wir schmecken, wie eine der größten Küchen der Welt funktioniert. Es herrschen hier sehr hohe hygienische Anforderungen, damit die 60.000 Essen täglich nicht ungewollte Nebenwirkungen haben. So werden die Essensplatten und das Besteck gleich mehrfach von Hand gespült. Allein in der Spülküche sind richtig viele Ehrenamtliche aktiv.


Am Eingang zum Essensbereich wird uns eine Platte, ein Becher und Besteck aus Edelstahl in die Hand gedrückt. Es geht die Treppen hoch, anderen Hungrigen hinterher. Oben wird gewartet. Durch die Fenster können wir schon die Organisation beobachten. Der Hunger unserer Vorgänger ist gestillt, sie verlassen den großen Saal. Sobald dieser leer ist, wird der Boden mit einer großen Kehrmaschine (deutsche Marke!) nass gereinigt.


Dann wird’s spannend. Die Türen werden geöffnet und die Rennerei geht los. Wir haben schon berichtet, dass Inder nicht anstehen können, sondern immer und überall drängeln.

So auch hier: wir kämpfen uns in den Saal, finden zwei Plätzchen nebeneinander – man isst hier auf Matten sitzend auf dem Boden.

Neben uns findet ein junger Inder Platz, der sich als Brahmane, also Hindu der höchsten Kaste, vorstellt. Er lebt in Amritsar und kommt hier ohne Skrupel oft zum Essen hin.


Sobald die meisten sitzen, wird im Blitztempo das Essen aus großen Eimern verteilt. Die beiden Gerichte: Dal (ein scharfer Linseneintopf), Alu-Gobi (Kartoffel-/Blumenkohl) und Reis werden mit Schöpfern aus großen Eimern auf die Platten verteilt. Die Becher werden mit Wasser gefüllt. 4 Helfer eilen dafür nach einander durch die Reihe. Kurz darauf bringt ein fünfter Chapati, das unentbehrliche Fladenbrot, für die Einheimischen Besteckersatz.


Das Essen ist richtig lecker. Wir lassen uns beide nachfüllen, obwohl das Essen auf dem Boden für uns Mitteleuropäer nicht besonders gemütlich ist.


Kaum ist die Platte leer, öffnen sich die Türen und wir verlassen mit den anderen 100en Leuten den Saal. Das Geschirr geben wir am Ausgang direkt vor der Spülküche ab. Hier können wir auch die größten Töpfe bewundern, die wir je gesehen haben und das ohrenbetäubende Geklapper in der Spülküche hören.


Es ist schon dunkel, wir wandern um den See, warten darauf, bis die heiligen Bücher in der täglichen Zeremonie „ins Bett“ gebracht werden.


Doch auch danach wird es nicht ruhiger. Man hat das Gefühl, dass der Strom der Pilger nicht abbricht. Es ist ein stetiges Kommen und Gehen, quasi rund um die Uhr werden im heiligen Wasser des Sees die ritualisierten Waschungen vorgenommen. Unter den Arkaden am Rand schlafen schon viele Pilger, obwohl es große Schlafsäle gibt.


Doch beim Gedanken, jetzt im Bulli zu schlafen, melden sich sämtliche Schweißdrüsen…

Deshalb legen uns auch ans Wasser, beobachten Pilger, Schlafende und Badende und: schlafen natürlich prompt ein.


Als ich um 1.00 Uhr morgens aufwache, hat sich nichts verändert. So beobachte ich wieder Menschen, die kommen und gehen, schlafen, sich umziehen und baden. Es ist immer ein Erlebnis, Gläubige zu beobachten, wenn sie den Kopf kurz unters Wasser tauchen oder sich aufwändig umziehen.


Die Herren baden meist in Unterhose, aber mit Turban! Für Frauen entdecken wir spezielle „Badehäuser“, in denen sie unbeobachtet im Teich plantschen können.


Ich bewundere Thomas, der hier seelenruhig direkt auf dem Boden schläft. Ich kann weder sitzen noch liegen, mir tut jetzt alles weh. Deshalb entscheide ich mich, um den See herumzulaufen. Nach einigen Metern nimmt die Geschäftigkeit, es ist zwischenzeitlich gegen 2.00 Uhr, deutlich zu.


Viele Menschen, mit Eimern und Schiebern bewaffnet, rollen Teppiche zusammen, wecken Schlafende, schütten das Wasser aus dem See auf den Boden und beginnen mit riesigen Schiebern und Tüchern mit Großputz. Beim Gehen muss ich aufpassen, dass ich nicht plötzlich mitten im Wasser stehe.


Eigentlich wäre dies nicht besonders schlimm, immerhin baden viele in diesem Wasser. Trotzdem oder gerade deshalb vertraue ich dem Wasser nicht besonders. Einen Zu- oder Ablauf haben wir noch nicht entdeckt und die Wasserqualität erinnert nicht gerade an ein deutsches Freibad.


Dann beginnen die typischen Gesänge wieder, die hier – fast rund um die Uhr – live gesungen in jeden Winkel der Tempelanlage übertragen werden.


Thomas ist wach, als ich wieder zurück komme. Er wurde geweckt, bevor auch unser Schlafplatz geflutet wurde.


Wir kämpfen uns – wie schon gesagt, Schlange stehen gehört nicht zu den Stärken der Inder – über den Steg zum goldenen Tempel. Dort ist nur noch ein schmaler Gang für die Gläubigen frei. Fast jedes Plätzchen, das sich zum Sitzen eignet, ist belegt. Alle warten auf das heilige Buch. Doch auch wir können hier kurz in Ruhe die Atmosphäre genießen. Bis nach einer Weile die Müdigkeit siegt, es ist zwischenzeitlich ungefähr halb vier. Wir nicken nicht als einzige ein.


Kaum wieder draußen beginnt die morgendliche Zeremonie um das heilige Buch, die wir jetzt natürlich auch erleben wollen. Das Buch muss wieder in den Tempel zum Vorlesen.


Gegen 5.00 Uhr krabbeln wir in unser Bullibett.


Diese Nacht im goldenen Tempel war unser Abschied vom Subkontinent,

von Armen und Reichen,

von bettelnden Kindern, Alten und Kranken,

von Wüste, Sand, Strand und den Bergen,

von Shiva, Ganesh und wie die Hindu- Götter noch heißen,

von Kamelkarren und Tuk-Tuks und diesem unbeschreiblichen Verkehr,

von tollen Gerüchen und Gewürzen,

von leckerem Essen und vielen Farben

kurz: von Indien!


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